I Feel The Need, The Need For NEAT

- Maverick, Top Gun 1986 (so oder so ähnlich)

Wie gesagt: so oder so ähnlich.

Neulich saß ich auf meiner Couch und hatte Hunger. Eigentlich hatte ich gar keinen Hunger. Mir war nur schrecklich langweilig vom Daumenscrollen und ich wollte meine Langeweile mit etwas zu Essen betäuben. Da der Kühlschrank zu weit weg steht, öffnete ich meine Lieferando-App und bestellte. Dann überkam es mich: Ich hatte niemanden, der mir das Essen von der Tür an die Couch bringen würde. Ich war dazu verdammt, zu verhungern.

Das war der Moment, in dem meine neue Geschäftsidee geboren wurde…

Okay, Stopp. Keine Sorge: das hier wird kein Business Pitch für eine neue Liefer-App oder so. Ganz im Gegenteil.

Erstens habe ich gar keine Couch mehr (ein Verlust, der mir immer noch schwere, emotionale Schmerzen verursacht) und zweitens ist es mein Job als Sportwissenschaftler, Dich in Bewegung zu bringen.

Gefühlt sitzt man immer mehr rum und bewegt sich kaum noch. Das soll jetzt kein “Alter Mann, früher war alles besser” Blog werden. Aber es ist schon so, dass wir immer und immer mehr Bequemlichkeiten in unserem Leben haben. 

Das ist erstmal gar nichts Schlechtes. Wer möchte schon auf seinen Kaffeevollautomaten am Morgen oder den Massagesessel im Auto verzichten… 

Aber gerade der Boom der Liefer-Apps in den letzten Jahren ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir immer leichter an Energie (durch Nahrung) kommen, dafür aber immer weniger Energie aufbringen müssen. Heute kann ich kaloriendichtes Essen - wer bestellt sich schon einen Liefer-Salat - direkt von der Couch (💔) aus bestellen und muss dafür (noch) nur zur Tür gehen. Früher ging das höchstens mit Pizza und chinesischem Essen. Selbst wenn man McDonalds zu Hause essen wollte, musste man aufstehen und sich ins Restaurant begeben. Ein deutlich höherer Kalorienverbrauch und eine schöne Vater-Sohn-Aktivität… zumindest in meiner Erinnerung.

Worum geht es hier also?

Die meisten Menschen glauben, dass sie den Großteil ihrer Kalorien beim Sport oder im Training verbrauchen. Und auch wenn Training ein wichtiger Aspekt beim Abnehmen und Gewichthalten ist, ist der Anteil am Gesamtenergieverbrauch einer Person relativ gering (wie immer schließen wir Hochleistungssportler mal aus).

Du lernst heute

  • NEAT verstehen: Was NEAT ist und warum es wichtig für deinen Kalorienverbrauch ist.

  • Alltagsbewegung steigern: Einfache Tipps, um mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren.

  • Energieverbrauch im Körper: Wie NEAT, Training und Grundumsatz zusammenwirken.

  • NEAT und Gewichtsmanagement: Wie NEAT bei der Gewichtskontrolle hilft.

Hier ist eine kurze Übersicht, wie dein Energieverbrauch sich aufteilt:

BMR: Basal Metabolic Rate (Grundumsatz)

Das ist, was dein Körper nur für den Erhalt grundlegender Körperfunktionen benötigt. Also hauptsächlich Herzkreislaufsystem, Atmung und Hirnfunktion. Nicht einmal Sehen gehört dazu. 60-70% deiner Energie gehen dafür drauf. Genetik oder mehr oder weniger Muskelmasse zu haben, sind unter anderem Faktoren, die den BMR beeinflussen.

TEF: Thermic Effect of Food (thermischer Effekt der Verdauung)

5–10 % deiner Energie werden für die Verdauung und Absorption der Nahrung benötigt. Eine eiweißreichere (und fettreichere) Ernährung verlagert den Wert eher in Richtung der 10 %.

EAT: Exercise Activity Thermogenesis (Trainingsumsatz)

Alle geplante, sportliche Aktivität, ergibt nicht mehr als 5-10% deines Gesamtenergieverbrauchs. Das ist wichtig zu verstehen: Alle, die wir 2-3 mal in der Woche ein bisschen trainieren gehen, werden auch nicht annähernd an die 10% gelangen.

NEAT: Non-exercise Activity Thermogenesis (sportunabhänige Thermogenese)

15-30% deines Tagesbedarfs werden für alle unwillkürlichen Bewegungen (z.B. Mimik und Gestik) und Alltagsbewegungen gebraucht. Bis Lieferando eine Lösung anbietet, ist das das Aufstehen von der Couch, um Essen an der Tür in Empfang zu nehmen, Spaziergänge, Treppensteigen, die Körperlichkeit deines Jobs usw. Ein Dachdecker wird deutlich mehr Energie verbrauchen als ein IT-ler, der im Home-Office morgens aus dem Bett direkt an den Schreibtisch rollt und abends wieder zurück.

James Smith (2020). Not a Diet Book.

Inwiefern beeinflusst deine Energiebilanz NEAT?

Je nachdem, ob du eine zu hohe Kalorienzufuhr oder eine zu niedrige hast, kann sich das unterschiedlich auf dein NEAT auswirken.

Ganz wichtig zu verstehen ist, egal an was für Theorien du glaubst und welchen Hormonoptimisierungs-Gurus du folgst: Wenn du Gewicht zunimmst, bist du immer in einem Kalorienüberschuss, wenn du abnimmst, immer in einem Defizit. Hormone, Stoffwechsel etc. haben ihren Platz, aber die Gesetze der Thermodynamik werden immer gelten.

Im Falle einer zu hohen Kalorienzufuhr ist NEAT die einzige Komponente deines Energieverbrauchs, die sich signifikant erhöht. Ganz grob heißt das: Wenn du zu viel isst, sorgt dein Körper dafür, dass du dich unbewusst mehr bewegst.

Man nimmt an, dass der Anstieg deiner Alltagsbewegungen (NEAT) ein Mechanismus ist, mit dem sich der Körper gegen eine Gewichtszunahme wehrt.

In meiner Arbeitspraxis berichten mir eigentlich wenige Menschen, sie würden zu viele Kalorien zu sich nehmen. Dafür gibt es verschiedene Gründe wie Schamm, (unbewusst) falsches Messen und viele mehr, die hier aber nicht besprochen werden sollen.

Aber es gibt auch Gründe, warum dein Körper nicht abnimmt, obwohl du dich in einem Kaloriendefizit befindest. 

Bist du in einem Kaloriendefizit, sinkt die NEAT-Komponente deiner Energiebilanz. Bei 10 % Kalorienreduktion vermindert sich der Kalorienverbrauch durch NEAT einer übergewichtigen Person um 260 kcal pro Tag. Bei einer zwanzigprozentigen Reduktion sogar um 500 kcal pro Tag.

Diese Reduktion des NEAT bleibt auch dann bestehen, wenn die Person das neue Körpergewicht hält.

Man nimmt auch hier an, dass es eine evolutionäre Antwort auf Zeiten von Nahrungsknappheit ist, um Energie zu sparen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Um es ganz klar zu sagen: Wer an Gewichtsmanagement und Gesundheit interessiert ist, muss sich darum kümmern, NEAT zu erhöhen.

Insbesondere während einer Abnehmphase musst du dein Aktivitätslevel hochhalten, um die Reduktion deiner Alltagsbewegungen zu kompensieren.

Kurzum: BEWEG DICH MEHR! Und zwar, wann immer es geht und wo immer es geht.

Aber (es gibt immer ein Aber) du brauchst dabei auch nicht zu extrem werden. Auch hier gibt es einen Schutzmechanismus! Extrem hohe Aktivitätslevel führen zu noch mehr Reduktion deines NEAT und sind auch schwerer über einen langen Zeitraum durchzuhalten und können deiner Motivation weiterzumachen schaden.

Wie kannst du mehr NEAT-Aktivitäten in dein Leben integrieren?

Wir haben geklärt, was NEAT ist und wie es deine Energiebilanz beeinflussen kann. Aber wie schaffst du es, mehr davon in dein Leben zu bringen? 

Und an dieser Stelle wird es etwas absurd, darüber zu schreiben. 

Du weißt, was du machen musst, um NEAT zu erhöhen und ich weiß, dass du weißt, was du machen musst, um NEAT zu erhöhen. Und trotzdem habe ich diese Diskussion in so gut wie jedem Beratungs- und Coachinggespräch. Am Ende sind es genau diese Dinge, die wir mehr machen müssen, die aber keiner macht. Stattdessen werden Ausreden gefunden (“Mach du mal dem Lieferando-Typen auf. Du bist näher an der Tür.”)

Wovon rede ich?

Hier sind einige Beispiele für mehr Bewegung im Alltag. Und bei jedem Leser, der „Äh, ja, wer bitte weiß denn das nicht“ beim Lesen sagt oder denkt, bekomme ich eine graue Strähne mehr… also halte dich bitte zurück.

Treppensteigen…

…anstelle von Rolltreppe oder Aufzug fahren. Letzteres ist für gesunde Menschen wirklich nur dann okay, wenn man einen Zweijährigen begleitet, der UNBEDINGT diesen Knopf drücken muss.

Und mal ganz kurz: Was zur Hölle sollen diese Laufbänder an Flughäfen? Ja okay, es macht irgendwie Spaß darauf zu gehen, aber sind wir echt so faul als Gesellschaft, dass wir nicht alleine gehen können?

Steige eine Station früher aus…

…oder parke etwas weiter entfernt, um deine Schritte zu erhöhen. Ich gebe zu, das ist mitunter der unbrauchbarste Tipp für den Alltag…

Bei der Arbeit ab und zu einen

Stehschreibtisch…

…zu nutzen erhöht deinen Energieverbrauch im Vergleich zum Liegen um 13%, wenn du dabei herumzappelst (im Englischen heißt das Fidgeting und klingt deutlich besser), erhöht sich das sogar um 94%. Der Vollständigkeit halber erhöht Sitzen deinen Energieverbrauch um 4% (54% mit Fidgeting) gegenüber dem Liegen.

Übergewichtige Personen stehen im Schnitt 2 Stunden weniger täglich. Wenn sie stattdessen mehr Stehen würden, könnte sie täglich etwa 350 Kalorien mehr verbrennen.

In öffentlichen Verkehrsmitteln zu stehen

ist eine gute Möglichkeit mehr Kalorien zu verbrennen. Man kann mit kürzeren Zeiten anfangen und irgendwann die gesamte Strecke stehen.

Nur bitte nicht in Berliner BVG-Bussen. Das ist lebensgefährlich! Hier unbedingt sitzen oder - wenn nicht anders möglich - mit einem Spanngurt an einem der Haltegriffe festzurren.

Und - halt dich fest - der absolute Mega-Hack, um NEAT zu erhöhen:

Spazierengehen.

Gehen bei 1,6 km/h bedeutet 154 % mehr Energieverbrauch als Liegen. 1,6 km/h sind nicht viel. Auf einem Laufband ist das fast schon anstrengend langsam. Schneller gehen verbraucht dementsprechend mehr Energie. 

Es ist wirklich so simpel! 

Menschen sind zum Gehen gemacht. Das ist eine Hauptfunktion unseres Körpers.

Eine sehr gute Möglichkeit, mehr Schritte zu machen und dich dazu zu motivieren, ist ein Schrittzähler. Sie sind heute auf jedem Handy verfügbar und führen nachweislich dazu, dass Menschen mehr gehen. Es wäre natürlich schön, wenn das nicht nur im Urlaub passierte. Ich weiß nicht, wie viele Freunde und Verwandte mir regelmäßig stolz berichten, wie viele Schritte sie an jedem einzelnen Urlaubstag gemacht haben… was ich ehrlicherweise sehr begrüße und unterstütze, aber bitte: Macht das doch immer! Täglich! 

Wenn du anfangen willst mehr zu gehen und deine Schritte zu tracken, dann bestimme eine Woche lang deinen Durchschnitt und erst dann setzt du dir realistische Ziele, die höher sind als dieser Durchschnitt. 

Für vielbeschäftigte Businessleute ist ein 10 Minuten Spaziergang zwischendurch (ideal nach dem Essen) viel sinnvoller als 30, 60 oder 90 Minuten Cardio am Abend im Gym. Du sparst dir nicht nur die Trainingszeit, sondern auch die Anfahrt, das Umziehen, Duschen usw. Stattdessen bist du früher zu Hause bei der Familie oder deinem Hobby. Besser noch: Du kannst die Spaziergänge auch mit der Familie am Abend machen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass du eine dieser Aktivitäten in deinen Alltag integrieren wirst?

Frage dich (eigentlich bei allem): Wirst du die Aktivität noch in 6 Monaten, einem Jahr, fünf Jahren gerne machen? 

Es macht bei langfristigen Zielen keinen Sinn, dir irgendwas Unrealistisches vorzunehmen, das sich zwar cool anhört, aber dir keinen Spaß bereitet. 

Stell dir einen Surfer vor. Er wacht morgens auf, sieht sein Board an, stöhnt “Ok, wenigstens 20 Wellen” und dann schleppt er sich unmotiviert ins Wasser. 

Ganz im Gegenteil! Surfer lieben ihr Hobby. Du wirst eher Probleme haben, sie vom Wasser fernzuhalten. 

Zu Fuß von der U-Bahn zur Arbeit ist absolut nichts für dich und du hängst zu sehr an deinem Leben, um in der Berliner Innenstadt mit dem Rad zu fahren? Ein Skateboard könnte deine Lösung sein. Damit bist du schneller unterwegs und anstatt Angst vor Autofahrern haben zu müssen, kannst du jetzt Fußgänger und kleine Hunde verängstigen!

Du siehst: Es gibt immer eine Möglichkeit, mehr Bewegung in den Alltag zu bekommen. Mein Job ist es, Dich dabei zu beraten und eine Gesamtstrategie für deine Gesundheit zu entwickeln. 

Ciao

Marco

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Meal Replacment Shakes.